Zivilcourage, wörtlich Bürgermut, setzt sich aus den beiden Wörtern zivil (lateinisch civilis, 1. bürgerlich – nicht militärisch, 2. anständig, annehmbar) und courage (französisch „Mut“) zusammen.
Die Entstehung des Begriffes Zivilcourage

Nachgewiesen wird der Begriff Zivilcourage erstmals 1835 in Frankreich als „courage civil“: Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil, später (Le Gall 1898) als „courage civique“: staatsbürgerlicher Mut.

Der deutsche Begriff Zivilcourage – der beides umfasst – wird schon 1864 von Otto von Bismarck erwähnt. Beschrieben ist eine Szene, in der Bismarck einem Verwandten vorwarf, ihn in einer Debatte des Preußischen Landtags nicht unterstützt zu haben. Er wird mit den Worten zitiert:

„Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“

– Robert von Keudell, 1901: Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen aus den Jahren 1846 bis 1872,
Aktuelles Verständnis
Zivilkurasch, Denkmal für Resche Hennerich in Koblenz

Dem Politikwissenschaftler Gerd Meyer von der Eberhard Karls Universität Tübingen zufolge ist „Zivilcourage“ (oder gleichbedeutend sozialer Mut) ein bestimmter Typus sozial verantwortlichen Handelns, keine Eigenschaft einer Person. Zivilcouragiertes Handeln geschieht in Situationen, in denen zentrale Wertüberzeugungen und soziale Normen (z. B. Menschenwürde, Menschenrechte, Gerechtigkeit, friedlicher Konfliktaustrag unter Bürgern) oder die physische oder psychische Integrität einer Person verletzt werden. Zivilcouragiert handelt, wer bereit ist, trotz drohender Nachteile für die eigene Person, als Einzelner (seltener als Mitglied einer Gruppe) einzutreten für die Wahrung humaner und demokratischer Werte, für die Integrität und die legitimen, kollektiven, primär nicht-materiellen Interessen vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst. Zivilcourage wird oft mit Hilfe gleichgesetzt. Hilfe ist zwar meist in Zivilcourage enthalten aber nicht notwendig umgekehrt. Vier zentrale Merkmale unterscheiden Zivilcourage von Hilfe, Altruismus oder Solidarität, von Mut oder Tapferkeit allgemein:

Es gibt einen latenten oder manifesten Konflikt zwischen denen, die diese Werte und Normen verletzen und denen, die sich für ihre Bewahrung einsetzen.
Es gibt nicht immer leicht bestimmbare Risiken, das heißt der Erfolg zivilcouragierten Handelns ist meist unsicher, und der Handelnde ist bereit, Nachteile in Kauf zu nehmen.
Zivilcouragiertes Handeln ist öffentlich, d. h. in der Regel sind mehr als zwei Personen anwesend.
Es gibt ein reales oder subjektiv wahrgenommenes Machtungleichgewicht zuungunsten dessen, der mutig handeln will, etwa weil er sich in einer Minderheits-/Mehrheitssituation in Gruppen oder in einem Verhältnis der Über-/Unterordnung bzw. einer Abhängigkeit befindet (die oft mit Anpassungsdruck verbunden sind).

Gerd Meyer unterscheidet drei Arten des Handelns mit Zivilcourage:

Eingreifen zugunsten anderer, meist in unvorhergesehenen Situationen, in denen man schnell entscheiden muss, was man tut.
Sich-Einsetzen – meist ohne akuten Handlungsdruck – für allgemeine Werte, für das Recht oder die legitimen Interessen anderer, vor allem in organisierten Kontexten und Institutionen, wie z.B. in der Schule oder am Arbeitsplatz.
Sich-Wehren z.B. gegen körperliche Angriffe, Mobbing oder Ungerechtigkeit; zu sich und seinen Überzeugungen stehen, standhalten, sich behaupten; widerstehen, nein sagen, ‚aus guten Gründen‘ den Gehorsam verweigern.[1] Dies erfordert Mut, da derjenige, der Zivilcourage zeigt, möglicherweise mit Sanktionen durch Autoritäten, Vertreter der herrschenden Meinung oder sein soziales Umfeld (z.B. einer Gruppenmehrheit) zu rechnen hat. Als zivilcouragiert gelten auch Whistleblower, die illegale Handlungen oder sozialethisches Fehlverhalten zum Schaden der Allgemeinheit innerhalb von Institutionen, insbesondere Unternehmen und Verwaltungen, aufdecken.
Untersuchungen und Analysen

Wissenschaftlich untersucht wurde das Phänomen aus den Perspektiven verschiedener Fachrichtungen – im deutschsprachigen Raum und aus sozialpsychologischer Perspektive u. a. von der Arbeitsgruppe um Dieter Frey (München), von Peter Fischer und Tobias Greitemeyer sowie von Veronika Brandstätter (Zürich) und Kai J. Jonas (Amsterdam), aus politisch-psychologischer Perspektive, zuletzt interdisziplinär zum Thema Mut und Zivilcourage im gewaltfreien Alltag von Gerd Meyer (Tübingen). Darüber hinaus untersuchten es in anderen Fachbereichen Peter Grottian, Bernd Kollek (Gewalt im ÖPNV), Gunnar Heinsohn (über den Bystander-Effekt aus soziologischer Perspektive) sowie Pearl und Samuel Oliner und David Rosenhan (über nichtjüdische Judenretter).

Als Sonderfall der politischen Zivilcourage kann individuelles Verhalten gelten, wenn es ein Gegenmodell zum Machterhalt durch die Parteidisziplin darstellt, wie John F. Kennedy in seinem Profiles in Courage (1956) am Beispiel des politischen Verhaltens von acht Senatoren exemplarisch zeigte.
Sonstiges
„weggeschaut. ignoriert. gekniffen“, ein Aufruf zur Zivilcourage der ProPK (vgl. Drei Affen)

Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) hat "Eine Initiative für mehr Zivilcourage" – www.aktion-tu-was.de – ins Leben gerufen. Sie nennt dabei sechs "Regeln für den Ernstfall":[2]

Gefahrlos handeln – ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen
Mithilfe fordern – ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf
Genau hinsehen – ich beobachte genau und präge mir Tätermerkmale ein
Hilfe holen – Notruf 110
Opfer versorgen – ich kümmere mich um Opfer
Als Zeuge mithelfen – ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.

Es kann aber auch Zivilcourage erfordern,

als Whistleblower einen Missstand anderen mitzuteilen. Dies kann die Gefahr implizieren, als Absender der Information (z.B. Brief) identifiziert zu werden. Die zurzeit wohl bekanntesten Whistleblower sind die beiden Amerikaner Bradley Manning und Edward Snowden. Ähnliche Beispiele, die gerichtsanhängig sind, gibt es (Stand September 2011) aktuell auch in Deutschland.

als Journalist einen Missstand öffentlich zu machen.Beschreibung

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